Dr. Thomas Angyan
Intendant der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien
„Ich brauche Ihnen von seinem Talente nicht zu reden; sein Ruhm ist europäisch." Heinrich Heine schrieb das 1837 aus Paris und bezeugte damit auf seine Weise: Über diesen Franz Liszt, damals gerade 26, mussten nicht mehr viel Worte verloren werden, um seine Ausnahmestellung zu beschreiben. Er war ein singuläres Phänomen – schon in jüngsten Jahren ein Star, bejubelt und umschwärmt. Einer, der ankam wie kaum ein zweiter, auch und gerade in der Musikstadt Wien. Hier hatte er das Fundament seiner Weltkarriere gelegt, hierher kam er, stürmisch gefeiert, immer wieder zurück. Im – damals noch nagelneuen – Goldenen Saal des Wiener Musikvereins setzte Liszt als 66-Jähriger seine letzten großen Glanzpunkte als Pianist. Als Komponisten ehrte man ihn hier u. a. mit einer Aufführung seines Oratoriums „Die Legende von der Heiligen Elisabeth", die ihn entzückte, hatten Chor und Orchester der Gesellschaft das Werk doch mustergültig einstudiert. Ehrenmitglied der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien war Liszt schon 1838 geworden – Lorbeer seines frühen Ruhms als Virtuose.
Wie gesagt: Er kam an! Franz Liszt aber hatte die Größe, sich damit nicht zufrieden zu geben. Nur anzukommen, das war ihm entschieden zu wenig. Aufbrechen wollte er, weitergehen musste er. Das war sein Credo, diesem Ruf seines Gewissens folgte er. „Dem Künstler insbesondere kommt es zu, sein Zelt nur für Stunden aufzurichten und sich nirgends auf Dauer niederzulassen." So schrieb er schon 1837 an George Sand. Und dieser tiefen Überzeugung folgte er und blieb er treu – auch um den Preis, den er wissend zahlte: einsam zu werden, immer wieder allein zu sein.
So ist es wohl das, was wir an Franz Liszt am meisten bewundern: dass er sein Genie mit solchem Mut verband. „Meine einzige Ambition als Musiker war und wird es sein, meinen Speer in den unendlichen Raum der Zukunft zu schleudern …"
Auf solche Weise überschritt er Grenzen und weitete Räume – ein leuchtendes Vorbild in seiner unstillbaren Neugier und radikalen Konsequenz. Was wäre die Kunst ohne Visionäre wie Franz Liszt?